Die Geschichte der Kunstgewerbemuseen

Die zahlreichen Museen für Angewandte Kunst und Kunstgewerbe präsentieren in Europa eine beeindruckende Bandbreite von Objekten, von Möbeln über Keramik bis hin zu Schmuck und Textilien. Sie sind nicht nur Schatztruhen für exquisite Handwerkskunst, sondern auch Spiegelbilder gesellschaftlicher Entwicklungen und ästhetischer Trends im Laufe der Zeit. Sie sind beeindruckende und lehrreiche Beispiele für die reiche kulturelle Landschaft hinsichtlich des kunsthandwerklichen Erbes, der technischen Fertigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten unterschiedlichster Epochen.

Die historische Entwicklung der Kunstgewerbemuseen ist eng mit den Wunderkammern des 18. Jahrhunderts verbunden. Diese Sammlungen, oft in privaten Händen, vereinten Kunstwerke, Artefakte und naturwissenschaftliche Objekte in einer faszinierenden Mischung. Mit der Zeit kam es zu einer Spezialisierung und Institutionalisierung, die zur Gründung spezifischer Kunstgewerbemuseen im 19. Jahrhundert führte. Diese Museen konzentrierten sich auf die Bewahrung, Erforschung und Ausstellung von Kunsthandwerk und Designobjekten, wodurch sie das Kunsthandwerk in der Gesellschaft institutionell verankerten.

Die Wunderkammern des 17. und 18. Jahrhunderts

Die Wunderkammern, auch bekannt als Kuriositätenkabinette, waren ein faszinierendes Phänomen der Renaissance und des Barock. Sie waren private Sammlungen, die eine Vielzahl von Objekten enthielten, von Naturalia (natürliche Objekte) bis hin zu Artificialia (künstliche Artefakte). Ihre Entstehung und Entwicklung im deutschsprachigen Raum bieten wertvolle Einblicke in die kulturelle und wissenschaftliche Weltanschauung jener Zeit. Die Wunderkammern entstanden im 16. Jahrhundert in Europa, als Adlige, kirchliche Würdenträger, Gelehrte und wohlhabende Kaufleute begannen, seltene und ungewöhnliche Objekte zu sammeln. Diese Sammlungen sollten das Wissen und die Wunder der Welt widerspiegeln. Somit waren sie Ausdruck des aufstrebenden Interesses an Naturwissenschaften, Kunst und Kultur und dem Wissen um technische Innovationen.

Ein berühmtes Beispiel ist die Sammlung von Ferdinand II. von Tirol, die im Schloss Ambras in Innsbruck eingerichtet wurde. Diese Sammlung enthielt eine beeindruckende Vielfalt an Gegenständen, darunter exotische Tiere, Pflanzen, Kunstwerke und wissenschaftliche Instrumente. Sie diente nicht nur der Unterhaltung und Bildung, sondern war auch ein Statussymbol, das den intellektuellen und finanziellen Reichtum des Besitzers demonstrierte.

Die Wunderkammern spielten eine zentrale Rolle in der Wissensvermittlung und der Entwicklung der Naturwissenschaften. Sie waren Orte des Staunens und Lernens, an denen Gelehrte und Künstler Inspiration fanden. In den deutschsprachigen Ländern, die im 16. und 17. Jahrhundert eine Blütezeit der Wissenschaft erlebten, trugen die Wunderkammern zur Verbreitung neuer Ideen bei.

Ein weiteres bedeutendes Beispiel ist die Kunst- und Wunderkammer des sächsischen Kurfürsten August von Sachsen im Dresdner Residenzschloss. Diese Sammlung wurde zu einer der bedeutendsten ihrer Zeit und legte den Grundstein für die heutigen Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Sie umfasste nicht nur Kunstwerke, sondern auch wissenschaftliche Instrumente, wie astronomische Geräte, die zur Erforschung des Universums genutzt wurden.

Einfluss der Wunderkammern auf die Entwicklung moderner Museen

Die Wunderkammern waren die Vorläufer moderner Museen und mit ihnen wurde der Grundstein für das Konzept gelegt, Objekte systematisch zu sammeln, zu kategorisieren und öffentlich zugänglich zu machen. Im Laufe der Zeit entwickelten sich aus diesen privaten Wunderkammern öffentliche Institutionen, die das Ziel hatten, Wissen zu vermitteln und kulturelles Erbe zu bewahren.

Ein markantes Beispiel für diesen Übergang ist das Kunsthistorische Museum in Wien, das aus den Habsburger Sammlungen hervorging. Diese Sammlungen, die ursprünglich in privaten Wunderkammern zusammengetragen wurden, wurden systematisch geordnet und einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Das Museum spielte eine entscheidende Rolle bei der Professionalisierung der Museumswissenschaften und der Entwicklung moderner Ausstellungsmethoden.

Ausbildungsstätte und Museum

Mit beginn des 19. Jahrhunderts entstanden in Europa die ersten Museen, die sich gezielt dem Kunsthandwerk und angewandten Künsten widmeten, wie zum Beispiel das Victoria and Albert Museum in London, das 1852 gegründet wurde. Mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert wuchs das Bewusstsein für die Bedeutung von Qualität und Ästhetik in der Produktion von Alltagsgegenständen. Dies führte zur Gründung spezialisierter Kunstgewerbemuseen, die als vorbildhafte Sammlungen für Gestalter, Produzenten und ein interessiertes Publikum dienen sollten. Im deutschsprachigen Raum ist u.a. das 1867 gegründete Kunstgewerbemuseum in Berlin, das als ältestes seiner Art und beherbergt bis heute eine umfangreiche Sammlung europäischen Kunsthandwerks vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Es war Museum und Unterrichtsanstalt zugleich, und bildete eine wichtige und über die Jahre hinweg stetig wachsende Institution für die Förderung des Kunsthandwerks. So wurde nach der Abdankung Kaiser Wilhelms ein Teil des Berliner Schlosses und Objekte aus dem Besitz der Hohenzollern in die Sammlung integriert.

Das 1877 gegründete Kunstgewerbemuseum in Frankfurt wurde 921 in „Museum für Kunsthandwerk“ umbenannt und zog 1967 in die Villa Metzler am Schaumainkai, wo es bis heute beheimatet ist. 1985 erfolgte eine weitere Umbenennung in „Museum für Angewandte Kunst“. Diese Namensänderung spiegelt die Mitt des 20. Jahrhunderts beginnende Neuausrichtung  kunstgewerblich orientierter Museen wider, die zunehmen auch zeitgenössisches Design und angewandte Kunst umfasste.

So beherbergt das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt (kurz MKK) eine vielfältige Sammlung von Designobjekten und angewandter Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Es präsentiert europäisches Kunsthandwerk sowie Objekte aus dem asiatischen Raum. Heute spielt das Museum für Angewandte Kunst Frankfurt eine wichtige Rolle in der Vermittlung von Designgeschichte und -theorie. Es bietet nicht nur Einblicke in vergangene Epochen, sondern regt auch Diskussionen über die Rolle von Design in der modernen Gesellschaft an. Die Entwicklung des Frankfurter Kunstgewerbemuseums zeigt exemplarisch den Wandel solcher Institutionen von reinen Vorbildsammlungen hin zu umfassenden Museen für angewandte Kunst und Design, die historische Objekte ebenso wie zeitgenössische Entwicklungen präsentieren und reflektieren. So auch das MAK – Museum für angewandte Kunst Wien, das 1863 als k.k. Österreichisches Museum für Kunst und Industrie gegründet wurde und seither weltweit als eines der wichtigsten Museen seiner Art gilt.

Viele Kunstgewerbemuseen entwickelten im Laufe der Zeit Schwerpunkte in bestimmten Bereichen des Kunsthandwerks; so etwa Das Glasmuseum Hentrich in Düsseldorf und das Glasmuseum Passau. Sie sind beispielhaft  für hochspezialisierte Sammlungen zur Geschichte der Glaskunst. Das Porzellanikon in Selb und Hohenberg an der Eger ist mittlerweile Europas größtes Spezialmuseum für Porzellan. Und das Deutsche Ledermuseum in Offenbach am Main widmet sich der Geschichte der Lederverarbeitung und des Schuhhandwerks.

Sowohl die generalisierten als auch spezialisierten Institutionen trugen und tragen dazu bei, die Wertschätzung für handwerkliches Können und ästhetische Formgebung zu fördern und das Verständnis für die Bedeutung von Design in verschiedenen Bereichen des Lebens zu vertiefen. Diese Entwicklung führte schließlich zu einer engeren Verbindung zwischen Ausbildungsstätten und Kunstgewerbemuseen. In einigen Städten wie Berlin und Zürich wurden die Kunstgewerbeschulen direkt mit den kunstgewerblichen Museen verbunden, wodurch eine integrative Plattform für Ausbildung und Ausstellung geschaffen wurde. An anderen Orten, wie zum Beispiel in Weimar, entstand ein Nebeneinander von Kunst- und Kunstgewerbemuseen und verschiedenen Kunsthochschulen, die alle Facetten der künstlerischen Ausbildung und Präsentation abdeckten. Nicht zuletzt entstand hier mit der Kunstgewerbeschule unter der Leitung von Henry van de Velde die Vorläuferinstitution des später von Walter Gropius gegründeten Bauhauses.

Rasante Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg

Diese Vernetzung förderte den interdisziplinären Austausch und stärkte die Bedeutung des Kunstgewerbes im kultur- und bildungspolitischen Kontext. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelten sich Kunstgewerbesammlungen weiter und wurden zu wichtigen Zentren für die Erforschung, Dokumentation und Präsentation von Designgeschichte und zeitgenössischem Kunsthandwerk. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten viele dieser Museen eine neue Blütezeit, da das Interesse an Design und angewandter Kunst weiter zunahm und sich neue Strömungen und Stile entwickelten. Heute spielen Museen für Kunsthandwerk, Kunstgewerbe und Design eine entscheidende Rolle bei der Bewahrung und Vermittlung des kulturellen Erbes sowie der Förderung von kreativer Innovation und gestalterischer Exzellenz.


Auch spielen sie heute eine wichtige Rolle in der Vermittlung von Designgeschichte und -theorie. denn sie bieten nicht nur Einblicke in vergangene Epochen, sondern regen auch Diskussionen über die Rolle von Design in der modernen Gesellschaft an. Durch Sonderausstellungen, Workshops und Bildungsprogramme tragen sie zur Förderung des öffentlichen Verständnisses für die Bedeutung von Gestaltung und handwerklicher Qualität bei. Die Vielfalt der auf bestimmte Kunsthandwerke spezialisierten Museen und Sammlungen zeugt zudem von der reichen handwerklichen Tradition  gerade auch in unterschiedlichen Regionen, so dass sie oftmals unmittelbar im Zusammenhang mit dem jeweiligen Brauchtum zu sehen sind. Von großen, umfassenden Museen bis hin zu kleinen spezialisierten Sammlungen bieten diese Institutionen die Möglichkeit, die Entwicklung und Bedeutung angewandter Kunst in all ihren Facetten zu erkunden und zu verstehen.

weiterführende Informationen

Die Kunst- und Wunderkammer im Museum: Inszenierungsstrategien vom 19. Jahrhundert bis heute

Sarah Wagner (Autorin), Verlag Reimer, Dietrich; 1. Edition, 2023, ISBN-10 ‏: ‎3496016876

Die Publikation ist auch wegen der vielen interessanten Abbildungen einen spannende Lektüre für Museumsleute und für museologisch Interessierte. Der Band bietet eine gute Übersicht über die Transformation der Kunst- und Wunderkammern in den deutschsprachigen Ländern vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. 

WILLKOMMEN IN DER WELT DES ORNAMENTS!

Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt des Designs, Handwerks und Kunstgewerbes. Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie regelmäßig exklusive Updates, inspirierende Artikel und die neuesten Trends direkt in Ihr Postfach. Melden Sie sich jetzt an und werden Sie Teil unserer wachsenden Gemeinschaft von Design- und Handwerksenthusiasten!