Filigranschmuck – Von der Antike bis heute

Alexandra Wendorf 

14. AUGUST 2024

Der Filigranschmuck, der im alten Mesopotamien entstand, erreichte über die Handelswege des Mittelmeers Kulturen wie das antike Griechenland und die Etrusker. Die Byzantiner perfektionierten die Technik, indem sie feine Metalldrähte zu kunstvollen Mustern verflochten und verlöteten. Im Mittelalter wurde Filigranschmuck vor allem auf dem Balkan und in Regionen wie Dalmatien und Griechenland populär. Hier wurde die Technik nicht nur für Schmuck, sondern auch für sakrale Gegenstände verwendet. Während in den Küstengebieten die reine Filigranarbeit vorherrscht, finden sich im Binnenland häufig Nachahmungen dieser Kunst in Form von Gussarbeiten. Diese regionalen Unterschiede spiegeln die Materialverfügbarkeit und die jeweilige Handwerkstradition wider.

Traditioneller Filigranschmuck wird aus Silber oder Gold gefertigt. Die Schmuckstücke werden durch Biegen und Verlöten dünner Silber- oder Golddrähte hergestellt, die dann kunstvoll zu komplexen Mustern miteinander verwoben und verlötet werden. Zusätzlich können Edelsteine oder Perlen in die Muster eingearbeitet werden, um die Exklusivität zu erhöhen. Die Techniken können sehr unterschiedlich sein und reichen von der Verwendung flacher Drähte bis hin zu komplexen Granulationen, bei denen winzige Metallkügelchen zu detaillierten Mustern angeordnet werden. Häufig wird dünn gewalzter Silber- oder Golddraht zu feinen, schneckenförmigen Linien geformt und in vorgefertigte Rahmen eingepasst. Die Verbindung der Drähte erfolgt durch Verlöten an den Kontaktstellen in einem Metallrahmen, der zusätzlich mit glatten Flächen ausgefüllt wird, um eine abwechslungsreiche Oberflächenwirkung zu erzielen. Der Begriff „filigran“ setzt sich aus den lateinischen Wörtern „filum“ (Faden) und „granum“ (Körnchen) zusammen und bedeutet übersetzt „gekörnter Draht“. Diese Bezeichnung spiegelt die Feinheit und Detailliertheit der Schmuckherstellung wider, denn die Herstellung von Filigranschmuck erfordert außergewöhnliches handwerkliches Geschick. 

Je nach Region und technischer Entwicklung sind die Beispiele dieser Schmuckstücke äußerst vielfältig und unterschiedlich. So findet man in Dalmatien noch heute filigrane Ohrringe aus Silber, die oft mit kleinen Silberkugeln verziert sind und traditionell zu festlichen Anlässen getragen werden. Griechische Filigranarmbänder zeichnen sich durch äußerst fein gearbeitete, komplexe, spitzenartige Muster aus, die häufig mit Türkisen und anderen Edelsteinen kombiniert werden. Aber nicht nur in den Mittelmeerländern, sondern auch im hohen Norden Europas ist Filigranschmuck historisch nachweisbar. So wurden die vor allem im Orient und im Byzantinischen Reich prachtvollen Schmuckstücke seit dem 15. Jahrhundert von Seefahrern und Kaufleuten als Souvenirs von ihren Reisen bis in den friesischen Raum mitgebracht. Diese Filigranarbeiten wurden dann von den heimischen Goldschmieden in Gold und Silber adaptiert und zu den Stücken weiterentwickelt, die bis heute in Friesland in verschiedenen Ausführungen und hier vor allem im Trachtenschmuck zu finden sind.

 

NEUE MUSTER MIT DIGITALEN TECHNIKEN

Der ostfriesische Filigranschmuck wurde traditionell mit Ornament-, Herz- und Muschelformen gefüllt und erst nach dem Füllen in die endgültige Form gebracht. Diese konnte geschwungen, rund oder nur leicht gewölbt sein. Ketten oder Broschen erhielten zum Schluss noch kleine Anhänger, z.B. in Form von Muscheln, oder einzelne Kettenglieder, die mit Ösen am unteren Ende der Schmuckstücke befestigt wurden und so beweglich waren. Besonders aufwendige Stücke wurden zusätzlich mit wertvollen Edelsteinen besetzt. Die so entstandenen Broschen, Ringe, Kettenanhänger, Ohrringe und Anstecknadeln wurden in ostfriesischen Familien über Generationen vererbt und zu festlichen Anlässen getragen. Aber nicht nur Schmuck wurde in der traditionellen Filigrantechnik hergestellt, sondern auch auf regionale Alltagsgegenstände übertragen. Das Schlossmuseum Jever beherbergt in seiner umfangreichen Schmucksammlung des 18. bis 20. Jahrhunderts einige besonders schöne traditionelle ostfriesische Filigranschmuckstücke, die von der hohen Kunstfertigkeit und Feinheit dieser besonderen Technik zeugen.

Heute erlebt der Filigranschmuck eine Renaissance durch das Interesse an alten Techniken, seltenen Handwerkskünsten und kulturell inspirierten Schmuckstücken aus aller Welt. Moderne Designer entdecken traditionelle Techniken, um Schmuckstücke zu schaffen, die sowohl überlieferte Stilelemente als auch moderne ästhetische Trends widerspiegeln. Heutzutage wird filigraner Designschmuck oft mit Hilfe von CAD-Technologien, d.h. 3D-Druck, entworfen, die hochpräzise und innovative Muster ermöglichen. So verbinden solche Stücke historische und neue Handwerkstechniken und schlagen eine Brücke zwischen alten Vorbildern und futuristischem Design. Darüber hinaus integrieren Designer und Juweliere, die sich von globalen Kulturen inspirieren lassen, häufig klassische und historische filigrane Elemente in ihre Entwürfe und bieten so eine neue Perspektive auf eine jahrtausendealte Technik und Gestaltungsform.

weiterführende Informationen

Schlossmuseum Jever
Schlossplatz 1
26441 Jever

Literatur: Arians, Horst: Riechdosen und Kleinsilber aus Ostfriesland, Aurich 2011

Schlossmuseum Jever

 

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